In der Gemeinde Romoos im Luzerner Entlebuch beherrschen noch ungefähr ein halbes Dutzend Männer ein uraltes, russiges Handwerk: Sie verwandeln Holz in Kohle. Für das Magazin GEO habe ich Markus Wicki besucht, den aktivsten der verbliebenen Köhler.

Es war nicht gerade Grillwetter, als ich Anfang April das erste Mal zu Markus Wicki ins Drachslis fuhr. Dort, in einer Talsenke im Weiler Bramboden im Luzerner Entlebuch, lebt der 56-Jährige auf seinem Bauernhof mit 15 Kühen, 11 Hektaren Land und 7 Hektaren Wald. Mit Journalisten wie mir hat Wicki aber wegen seines Nebenjobs Erfahrung: 200 Meter von seinem Hof entfernt geht er nämlich in einem riesigen Unterstand am Waldrand einem uralten Handwerk nach: der Köhlerei.

Als ich bei Wicki eintraf, war er gerade dabei, seinen ersten Kohlemeiler dieses Jahres anzuzünden. Zwei Monate hatte er gebraucht, um diesen pechschwarzen Hügel, mehr als drei Meter hoch und acht Meter im Durchmesser, Schicht für Schicht zu errichten. Ungefähr 60 Ster Holz-Spalten hatte er in kunstvoll aneinander geschichtet, mehrere Schichten übereinander. Lücken mit kleineren Ästen und Scheiten verschlossen. Und schliesslich das ganze mit einer 30 Zentimeter dicken, grauschwarzen Masse aus Kohlemehl und Wasser luftdicht vermacht.

Herr des Feuers

Wenn ich schreibe, Wicki habe den Meiler angezündet, dann ist das natürlich ungenau. Denn der Umgang eines Köhlers mit Feuer hat nichts zu tun mit dem Abfackeln eines 1.-August-Feuers: Es ist eine Kunst. Wicki wird über Wochen seine ganze Erfahrung brauchen, um die Glut in einem Schacht in der Mitte des Meilers ständig zu nähren und gleichzeitig in Schach zu halten. Er sticht Löcher in die Aussenschicht, um Sauerstoff hineinzubringen und zu steuern, wohin die Hitze wandert.

An der Dicke und Farbe des Rauches kann Wicki ablesen, wie stark es glimmt und wie weit der Verkohlungsprozess fortgeschritten ist. Ungefähr 16 bis 18 Tage dauert die Verkohlung normalerweise. Wenn blauer Rauch aufsteigt, weiss Wicki, dass der Prozess abgeschlossen ist. Dann verschliesst er sämtliche Löcher und deckt den Meiler mit einer dicken Blache luftdicht ab, um die Glut zu ersticken. Ungefähr zwei Wochen muss nun die reife Kohle abkühlen, bevor er sie herausziehen kann.

Russige Ernte

Für diesen letzten Schritt der Köhlerarbeit – die Erne quasi – besuche ich Wicki kurz nach Pfingsten ein zweites Mal. Auf mich warten ein halbes Dutzend Menschen mit russig schwarzen Händen und Gesichtern. Es sind Familienmitglieder und Freunde, die Markus Wicki schon seit vielen Jahren jeweils helfen, die Kohle aus dem Meiler zu schaufeln und abzupacken.

Mit einem kleinen Hoflader holt Wicki einen Teil der Kohle aus dem Meiler und schiebt ihn zu einem kleineren Haufen zusammen. Zwei Männer schaufeln sie auf ein Förderband. Kleine Stücke fallen durch ein Rüttelsieb, die grossen rattern weiter bis ans Ende des Bandes, wo Markus Wicki sie mit ausgebreiteten Armen empfängt und in einen Papiersack leitet. Sechs Kilo Kohle passen in jeden Sack. Ungefähr Tausend Säcke werden es am Ende sein – bereit zum Verkauf in den Filialen des Detailhändlers Otto’s. Gerade rechtzeitig auf den Start der Grillsaison.

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(Das PDF ist aus rechtlichen Gründen erst ab Februar 2025 verfügbar)